Florian Rötzer 21.11.2002
Nur ein "experimenteller Prototyp": Das Pentagon versucht die Öffentlichkeit
über das geplante Überwachungssystem "Total Information Awareness" zu beruhigen
Auch der Senat hat dem Homeland Security Act mit großer Mehrheit zugestimmt.
Mindestens ein Jahr wird es dauern, bis das Superministerium zusammengebaut worden
ist (Big
Brother Staat USA?). Inzwischen wachsen die Sorgen,
dass die Überwachung der US-Bürger - die der Ausländer bleibt außen vor - mit
den neuen Befugnissen zu weit gehen könnte. Schließlich soll das System der Prävention
dienen, weswegen Alle erst einmal verdächtig sind und überprüft werden müssen.
Noch einmal bestätigt hat nun das Verteidigungsministerium das Projekt, alle verfügbaren
Daten über Menschen im In- und Ausland in einer gewaltigen Datenbank zu sammeln
und mit mächtigen Data-Mining-Programmen nach verdächtigen Mustern zu durchsuchen.
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Schon der Name lässt aufhorchen und verspricht wie das Logo
wahrhafte Big-Brother-Qualitäten: "Total Information Awareness" (TIA) heißt das
Entwicklungsprojekt, das bei der DARPA, der Forschungsabteilung des Pentagon,
angesiedelt ist. Geleitet wird es vom ehemaligen Admiral John Poindexter, der
wegen Beteiligung am Iran-Contra-Skandal das Militär verlassen musste, aber jetzt
im Zeichen des Kampfes gegen den Terrorismus trotz seiner Vergangenheit wieder
gebraucht wird und zu Ehren kommt (Totale
Überwachung).
Verteidigungsminister Rumsfeld hatte schon einmal, möglicherweise
an den Sturm der Empörung denkend, der zum Einstampfen der geplanten Propagandaabteilung
des Pentagon führte, die Wogen der Erregung zu beruhigen
versucht, nachdem die schon seit Frühjahr (Das
Orakel der DARPA) geschmiedeten Pläne des Mega-Schnüffelsystems
einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Man solle doch einmal tief
durchatmen. Er wisse zwar selbst nicht viel über das Programm, aber sei ja doch
vorerst nur ein Experiment, das Kapazitäten zur Analyse von Informationen im Kampf
gegen den Terror entwickeln soll. Das Pentagon stecke auch nur eine relativ kleine
Summe hinein und müsse abwarten, was dabei herauskomme. Das sei mit dem Internet
vergleichbar, das auch von der DARPA erfunden worden sei: "Als diese Arbeit begann,
hatten die Menschen, die sie ausführten, keine Vorstellung davon, dass das, was
daraus entstehen würde, zu dem werden sollte, was wir heute als Internet bezeichnen."
Das muss nicht unbedingt beruhigen. Die "aufgeheizte und alarmierte" Darstellung
durch die Medien sei kein guter Dienst.
Offenbar hat diese Beruhigung und Medienkritik ihr Ziel nicht
erreicht. Daher wurde gestern gleich noch eine Pressekonferenz
nachgeschoben, um zu demonstrieren, dass doch alles in Ordnung ist. Man müsse
Terroristen fangen, bevor sie ihre Taten begehen, Um diese Prävention zu erreichen,
müsse man, wie Edward Aldridge, Staatssekretär im Pentagon, eben große Datenmengen
nach Hinweisen durchsuchen.
Das System bestehe aus drei Teilen. Erstens sollen Programme
entwickeln werden, die eine schnelle Übersetzung gewährleisten. Zweitens geht
es um die "Entdeckung der Verbindungen zwischen Transaktionen wie Pässe, Visas,
Arbeitsgenehmigungen, Führerscheine, Kereditkarten, Flugtickets, Mietautos, Waffenkäufe,
Erwerb von Chemikalien - und Ereignissen wie Festnahmen, verdächtige Tätigkeiten
usw." Und drittens geht es um die Entwicklung von Systemen zur Entscheidungsfindung,
die eine Kooperation verschiedener Behörden ermöglichen.
Zum Testen werde man nur fabrizierte Daten nehmen, die realen
gleichen. Zumindest werde man keine "detaillierten Informationen" verwenden, was
das immer heißen soll. Und natürlich werde der Schutz der persönlichen Daten beachtet,
weswegen man das System auch so auslege, dass "eine vollständige Anonymität unbeteiligter
Bürger" gewährleistet sei. Die gesammelten Informationen würden "denselben legalen
Vorschriften unterworfen, die gegenwärtig für die anderen Strafverfolgsmaßnahmen
in Kraft sind". DARPA werde keine Polizeibehörde, sondern entwickle nur das System,
das dann den Polizeibehörden oder Geheimdiensten übergeben werde. Aber irgendwie
wurde es dann mit der Unterscheidung zwischen realen und fabrizierten Daten fast
philosophisch:
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Aldridge: There's some real data that we use, but it's
normal data that's available legally. The privacy issues, those will be fabricated
stuff.
Q: Okay. That's what I didn't understand. Can you help
us understand what is the fabricated data, what is the real data, and what are
the privacy issues if you're using fabricated data?
Aldridge: There are no privacy issues. We will not use
any data that affects -- that will have any relationship at all to privacy issues.
Most of the data is synthetic. It's generated just to exercise the analysis. The
real data will have to come from the agencies themselves once they have the tool.
Q: Can you give us some examples --
Aldridge: There will be no privacy issues. This will be
all data that will be available in the open and fabricated, to use. There is nothing
dealing with individuals at all in this particular exercise, in this feasibility
study. It's all generated data for the purpose of the exercise.
Q: So what kind of real data are you using that you just
mentioned?
Aldridge: I will have to find -- I don't know the answer
to that question, exactly what kind of data. I'm not into the details of the thing.
But I don't think there is a problem with it at all.
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Natürlich kam während der Pressekonferenz auch die Frage auf,
warum ausgerechnet eine politisch so zwielichtige Person wie Poindexter die Leitung
für ein derartig heikles Programm erhalten habe. Der Sprecher des Weißen Hauses
hatte Poindexter schon in Schutz genommen und gesagt, Präsident Bush habe ihn
wegen seiner Verdienste fürs Land berufen (welche er damit meinte, sagte er freilich
nicht). Aldridge entgegnete, Poindexter sei gewählt worden, weil er so begeistert
von dem Projekt sei - und dieses auch nach dem 11.9. dem Pentagon vorgeschlagen
habe. Sicherlich nicht uneigennützig, was Aldridge aber nicht mitteilte, weil
Poindexter nach seiner Entlassung beim Militär ein Unternehmen leitete, das vom
Pentagon Forschungsaufträge erhielt und just ähnliche Data-Mining-Programme wie
Genoa entwickelt hat.
Aldridge stritt allerdings ab, dass das Projekt mit 200 Millionen
Dollar gefördert werde, wie dies in den Medien behauptet wurde, es seien lediglich
10 Millionen Dollar für das Haushaltsjahr 2003. Wieviel Geld die nächsten Jahre
zur weiteren Entwicklung aufgewendet würden, könne er noch nicht sagen.
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