Hausdurchsuchung Online mit Bundes Trojaner

Polizeiliche Übergriffe, DER STAAT ALS  HACKER DER STAAT ALS
HACKER
Bundestrojaner oder Pleitegeier
Der Staat will wissen, was seine Bürger am PC treiben. Dafür will er einen Bundestrojaner heimlich auf den PC einschleusen.

Viren, Würmer und Trojaner im Dienste der Regierung:
Die Polizei hackt Rechner im Rahmen von Ermittlungen
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Polizeiliche Übergriffe

Mit einer List eroberten die griechischen Kämpfer das antike Troja: Ein hölzernes Pferd barg in seinem Bauch versteckte Krieger, die dem hellenischen Heer die Tore der Stadt weit öffneten. Geht es nach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, ist bald jeder in Deutschland am Internet hängende Rechner ein mögliches Troja, das es mit Tricks und Raffinesse einzunehmen gilt. Ein mehr als einhundertMillionen Euro fettes Sicherheits- Paket soll unter anderem Al Kaida, extremistischer Hetzpropaganda und Bombenbauanleitungen im Internet den Garausmachen. Doch nicht nur Online-Foren, Webseiten und Chats hat der "Sicherheitsminister" im Visier, auch alle an das Internet angeschlossenen Computer sollen im Namen der Terrorismusabwehr durchsucht werden können:

"So, wie unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund richterlicher Entscheidungen Telefone und Post kontrolliertwerden können, so mussman natürlich auch die Chance haben, die neuen Kommunikationsformen zu erreichen. Das ist formal dasselbe wie eine Hausdurchsuchung", sagte der Minister im Dezember in einem Interview mit der Rheinischen Post: "In der Sache kann es keinen Zweifel geben, dass wir diese Möglichkeit brauchen."

In den Grauzonen des Internets sind Schnüffelprogramme wie Trojaner oder Keylogger, die Passwörter, Daten und Kommunikation ausspionieren, schon lange gang und gäbe — Wirtschaftsspione schnüffeln auf den Festplatten von Unternehmen, Kriminelle spionieren Kreditkartendaten aus. Doch nun verpassen ausgerechnet staatliche Stellen der Schadsoftware den Adelsschlag: Nach dem gängig gewordenen Motto der staatlichen Antiterrorkämpfer ist jeder ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Und weil die Anti-Terror- Fraktion das Internet als gefährlichen Popanz aufbaut, wäre es nur folgerichtig, dass sich die Ermittler im Zweifelsfall in seinen Rechner einhacken und elektronische Schädlinge installieren.

Terroristenabwehr contra Bürgerrechte

Hausdurchsuchung via Bundes Trojaner
Ein Ermittlungsrichter am BGH stoppte erstmal die polizeiliche Praxis, Rechner bei Ermittlungen zu hacken (Online-Hausdurchsuchung).

Das Internet bietet natürlich auch Terroristen ein gigantisches und kaum zerstörbares Forum", erklärte Schäuble im Dezember in einer Rede zur "Gesamtstaatlichen Sicherheit" in Berlin. "Es ist Kommunikationsplattform, Werbeträger, Fernuniversität, Trainingscamp und think tank in einem."

Die Bundesregierung nutze Lücken im Gesetz als "Lizenz zum Hacken", moniert hingegen Wolfgang Wieland, Sprecher für innere Sicherheit der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Die Antworten der Bundesregierung auf mehrere Fragen offenbaren, dass die deutschen Sicherheitsbehörden schon länger als bislang zugegeben, heimliche Online-Durchsuchungen planen und durchzuführen versuchen", erklärte das Mitglied von Innenaus- und Rechtsausschuss im Bundestag bereits im Dezember. Für diesen tiefen Eingriff in die Privatsphäre fehle jedoch die Rechtsgrundlage.

Die Bundesregierung habe auf mehrere Anfragen von Bündnis 90/Die Grünen zugeben müssen, dass heimliche Online- Durchsuchungen in insgesamt vier Fällen beantragtwurden, so Wieland. Die ersten drei Beschlüsse hätten die Gerichte durchgewunken. Doch am 25. November vergangenen Jahres setzte ein Beschluss des Ermittlungsrichters Ulrich Hebenstreit vom Bundesgerichtshof (BGH) der Schnüffelpraxis zunächst ein Ende.

"Die beantragte Ausforschung des Computers ist strafprozessual gesetzlich nicht zulässig", heißt es in dem Beschluss aus Karlsruhe. Der heimliche Zugriff auf die gespeicherten Daten sei ein schwerwiegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit auf persönliche Freiheitsrechte. Eine heimliche Computer-Durchsuchung sei zudem weder eine Telefonüberwachung nach Paragraf 100 a StPO, noch mit einer Wohnungsdurchsuchung nach Paragraf 102 StPO gleichzusetzen. Zwischen unbemerkter Spionage auf fremden Festplatten und einer Hausdurchsuchung gebe es einen entscheidenden Unterschied: Eine Wohnungsdurchsuchung sei eine offene Angelegenheit, der Betroffene darf dabei sein und weiß damit auch Bescheid. Ist er abwesend, sollen bei einer realen Durchsuchung wenn möglich Zeugen die Vorgänge beobachten.

Dieses "wenn möglich" diente Verfechtern der Computer-Schnüffelei als Rechtfertigung des versteckten Tuns. Ihnen hält der Richter die Schutzrechte des Betroffenen vor, die es auch bei Ermittlungen zu wahren gilt: "Dabei kann sich die Einschränkung ‚wenn möglich’ nicht auf ermittlungstaktische Erwägungen beziehen, sondern hat tatsächliche Schwierigkeiten im Auge, so etwa bei der überraschend notwendig gewordenen Durchsuchung einer einsamen Hütte im Wald."


Tagebuchqualität

Marco Gercke Rechtsanwalt
„Wo bliebe dann die Freiheit des Einzelnen, was würden wir noch schützen?“ Marco Gercke Rechtsanwalt

"Die auf einem Computer gespeicherten Daten sind häufig entsprechend sensibel wie das in einer Wohnung vertraulich gesprochene Wort. Hinzu kommt regelmäßig die Datenfülle, deren Erhebung den Betroffenen zum ‚gläsernen Menschen’ werden lassen kann. Manchen ‚Ordnern’ auf der Festplatte wird darüber hinaus Tagebuchqualität zukommen", schrieb der BGH-Ermittlungsrichter am 28. November 2006 nach Beschwerde der Generalbundesanwältin. Eine weitere BGHEntscheidung zur heimlichen Online-Computerdurchsuchung stand bei Redaktionsschluss noch aus. Folgt sie der Argumentation von BGH-Ermittlungsrichter Hebenstreit, müsste ein neues Gesetz her – vergleichbar dem zum Großen Lauschangriff – um die Schnüffelmaßnahmen zu legitimieren.

"Mit Keyloggern oder Trojanern Passwörter herauszufinden, um auf einen bestimmten Rechner gezielt zugreifen zu können, mag im Ausnahmefall bei der Aufklärung von Verbrechen berechtigt sein. Aber die Gründe für solche Eingriffe müssten eng gefasst sein, nur absolute Kerndelikte", sagt Rechtsanwalt Marco Gercke, Lehrbeauftragter für Medienstrafrecht an der Universität Köln. Der Verbrechensverhinderung durch vorbeugende Beobachtung erteilt der Kölner Jurist eine Absage: "Wie sollen ein paar Polizisten, die durch das Internet streifen und Trojaner installieren, Verbrechen verhindern? Dazu wäre intensive Kontrolle erforderlich. Was dafür an gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müsste, ist unverhältnismäßig. Wo bliebe dann die Freiheit des Einzelnen, was würden wir noch schützen?"

Laut dem Grüne Sicherheitsexperten Wolfgang Wieland kämpfen die Ermittler bei "Online-Hausdurchsuchungen" zurzeit noch mit technischen Problemen: Die Bundesregierung hätte eingestanden, "dass bislang kein Ermittlungsverfahren bekannt ist, in dem eine Online-Durchsuchung auch stattgefunden hätte", so Wieland, "Offenbar ist ein entsprechender Angriff bisher aus technischen Unzulänglichkeiten gescheitert. Ergo: den Willen, Bürgerrechte zu knacken hat man, die Software ist aber noch nicht so weit." Dies erkläre auch, weshalb der Bundesinnenminister in seinem Etat für dieses Jahr Gelder mit dem Ziel eingestellt habe, geeignete Hacker einzustellen und Programme zu entwickeln.

 

Legal schnüffeln in NRW

In Nordrhein-Westfalen dürfen die Geheimdienstler vom Verfassungsschutz ganz offen heimlich schnüffeln: Per Gesetz hat NRW im vergangenen Jahr noch kurz vor Weihnachten Online-Hausdurchsuchungen bei Verdacht auf extremistische Straftaten legitimiert. Die Landtagsmehrheit von CDU und FDP drückte eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes durch, nach der Verfassungsschützer Festplatten von Verdächtigen nach Bombenbau- Anleitungen oder Anschlagsplänen online durchsuchen dürfen. Als "staatlich organisierten Hausfriedensbruch" bezeichnete der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph das heimliche Auslesen.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) sieht sein neues Verfassungsschutzgesetz gar als "Quantensprung": "Zutreffend ist, dass es sich hierbei um einen erheblichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen handeln kann, der aber im Einzelfall zum Schutz von Leben und Freiheit anderer erforderlich ist", verteidigt Wolf die Gesetzesänderung, "Die Sichtung von Inhalten eines standortunabhängigen PCs, der über Telefonleitungen mit dem World-Wide-Web verbunden ist, stellt aber keine Wohnraumüberwachung dar, da nicht die typische Lebenssituation der in Artikel 13 geschützten häuslichen Gemeinschaft überwacht wird."



Quelle: PC Magazin 3/2007